16.02.12, 21:00h Ortszeit (20:00h MEZ): Lappland II

Wir sind in Lappland, Finnland, und nach einer vergleichsweise ereignislosen Fahrt und umso ereignisreicheren Stationen sitzen wir im Hotel und fühlen uns ausgesprochen skandinavisch. Aber von vorn.

Heute war Früh-Frühstück angesagt. Denn eigentlich beginnt die Geschichte gestern, strenggenommen sogar vor einigen Tagen. Über verschiedene Kanäle erreichte uns die Information, dass zwei Forumskollegen (aus dem Boote-Forum) in Alta überwintern – einem Ort, den wir auf Hin- und Rückfahrt zum Nordkapp kreuzen würden. Gestern hat sich dann Claudia selbst bei uns gemeldet, und wir haben spontan beschlossen, unsere Zeitplanung dahingehend etwas zu straffen: früh aufzustehen, schon um acht wieder auf der Straße zu sein und dafür eine Pause in Alta einzulegen. Handynummern und geografische Koordinaten wurden ausgetauscht, und los ging’s.

Die Fahrt nach Alta führte wieder über das Hochplateau, und wieder war es etwas Besonderes. Diesmal erwischte uns ein Schneesturm (also, wir würden es einen Schneesturm nennen). Jedenfalls verschwand der G vor uns mitsamt der Straße immer wieder in den seitlichen Schneeverwehungen, und statt der erlaubten 80-90km/h sind wir streckenweise 40km/h gefahren. Aber nur abschnittsweise, unten in Alta war wieder alles gut.

Dort haben wir dann wie abgestimmt einen Sportboothafen im Fischereihafen aufgesucht, und nach ein paar anfänglichen Kommunikationsschwierigkeiten folgten wir einem hilfsbereiten Norweger auf dem Fuße und auf den Steg und wurden an Bord der „La Belle Epoque“ von Claudia und Jürgen nicht nur erwartet, sondern auch willkommen geheißen. Die beiden (Österreicher) segeln bereits im dritten Jahr durch die Weltgeschichte, derzeit eben vorrangig in Skandinavien. Details gibt’s hier: www.fortgeblasen.at. Vielen Dank an dieser Stelle an Euch beiden für den Kaffee, die kurzweilige Stunde im Warmen und die kurze Schiffsbesichtigung!

Thema Warmes: heute war kalt. Richtig kalt (für unsere Verhältnisse). Im Schneesturm -12°C, nachmittags -16°C, inzwischen -20°C. Eine sehr trockene, nicht unangenehme Kälte, nur der Windchill in Alta auf dem Steg war die Hölle.

Von Alta ging’s zurück auf die Landstraße mit dem typischen Skandinavien-Effekt: das Tomtom sagt locker aus der Hüfte gesprochen „der Straße 207km folgen“. Kein Scherz – Abzweige laut Tomtom (und in der Realität) sind hier gern schonmal knapp 300km auseinander. Bis man da ankommt, sind die Gänge 1-4, die Kupplung und das Blinkerrelais eingefroren oder weggerostet.

Die Straße bot wenig Überraschungen, aber wieder schöne Aussichten: gefrorene und wieder zugeschneite Seen und Flüsse, deren Eisflächen von den Schneescooter-Fahrern wegen der glatten Oberfläche gern gesehen sind. Flächig überzuckerte flache Wälder, darin ein paar Hütten.

Die Rentierdichte nimmt zu, allerdings immer noch nicht zufriedenstellend. Die ersten beiden hatten Überbreite und Unterhöhe sowie Körpertreffer, sprich: hatten im Konflikt mit einem durchreisenden 40-Tonner argumentativ den zweiten Platz gemacht und dienten jetzt als Nahrungsquelle für Krähen. Kein schöner Anblick – ich erspare Euch Fotos. Die nächsten Rentiere standen hinter dem Zaun: freie Wildbahn ist anders. Aber kommt bestimmt noch. Weitere Spuren haben sie in unserem abendlichen Buffet hinterlassen.

Das Hotel ist finnisch, finnischer geht’s nicht: mehr oder weniger vollständig aus Holz, mit Sauna und Trockenschränken auf den Zimmern. Während dieser Zeilen sitze ich mit den anderen drei in der Lobby (im WLAN), vor dem Kamin, am Holztisch, in Holzsesseln mit Blick auf die Holzrezeption. Sehr authentisch.

Vor dem Hotel stehen drei Schneescooter, und damit nahm der Abend seinen Lauf. Olli und ich haben mit der Rezepteuse verhandelt, für wie wenig und kurz man diese Moppeds mieten könnte. Sie wiederum verhandelte am Handy in einer nicht im entferntesten sprech-, zitier-, schreib- oder irgendwie reproduzierbaren Sprache (Finnisch halt) mit dem Besitzer der Schlitten. Ich erspare Euch die Details: nach einigen Minuten waren Olli und ich mit dem Guide für 19h Ortszeit (das ist eine Stunde später als in Deutschland, Norwegen und Schweden) zum Schneescooterfahren verabredet.

Also flugs Essen fassen, denn ohne Mampf kein Kampf. Das Haus“restaurant“ besteht aus einem Buffet und einem Satz rustikaler Holztische und -bänke. Das Buffet bietet (ausschließlich) lokale Spezialitäten: Salate mit Fisch und Krabben, gebratene Rentierleber auf Zwiebeln, Kohlrouladen (kein Scherz!), Cloudberry-Nachtisch mit Sahne. Was Cloudberries sind, muss ich mal nachschlagen. Jedenfalls lecker. Dazu lokale Säfte, ebenfalls nicht identifizierbar. Ich bin schon gespannt auf’s Frühstück.

Bei der Sprache stößt jeder Mitteleuropäer schlagartig an Grenzen. Der Deutsche und Österreicher erkennt zumindest die Umlaute wieder, das war’s aber schon. Die Finnen scheinen das zu kennen, das Hotel – übrigens das Majatalo in Enontekiö – ist zweisprachig (fi/en) beschriftet, und die Rezepteuse spricht gut englisch und leidlich deutsch.

Bei der fanden Olli und ich uns auch um 19h wieder ein, wegen der Schneescooter-Nummer. Es erwartete uns ein indianisch-eskimotisch anmutender älterer Herr, des Englischen gut mächtig, nach eigenem Verlautbaren seit 1962 auf Schneescootern unterwegs. Er lieferte auch gleich zwei Anzüge, zwei Satz Stiefel, Helm und Handschuhe, um den -20°C (oder so) bei inzwischen stockdunkler Nacht zu trotzen.  Also einkleiden (in einem Anzug in Größe 52 sehe ich irgendwie fett aus …), und ab geht’s. Neben seinem Guide-Scooter hatte er zwei 380-ccm-Zweitakt-Ski-Doos da stehen, und mit denen ging es dann los.

Mit 30-55 km/h ging’s in tiefster Nacht über einen durchgefrorenen See und durch den Wald. Das Highlight der Tour: Baustellenbesichtigung. Der Guide baut nämlich gerade (mit seinem Sohn und weiteren) 8km von hier ein Eishotel, und der Speiseraum mit Eistischen und Eistheke, zwei Familienzimmer, zwei Doppelzimmer und die Honeymoonsuite sind schon fertig. Sehr geil … drumherum bauen sie gerade weitere Zimmer (es wird immer erst der Korridor gebaut, dann draußen ein Bett mit einem Bagger aufgestellt, dann ein Zimmer darüber errichtet, und zum Schluss sägt jemand aus dem Korridor eine Tür in das Zimmer.). Sehr beeindruckend. Dann ging’s über den See zurück zum Hotel. Insgesamt eine gute Stunde, 50 EUR pro Nase mit jeweils eigenem Ski-Doo – das finde ich fair.

Gegen Ski-Doo fahren ist das Zureiten junger Rentiere auf Ecstasy übrigens Kinderkarneval. Von wegen „wie auf Schienen“ – nach einer 5h-Tour gibt’s mit Sicherheit Muskelkater der Spitzenklasse. Die 2x 20min zum Warmwerden waren perfekt – Lenkerheizung, der Thermoanzug und die Stiefel komfortabel warm. Haken wir also ab unter „Hamm’wa gemacht!“.

Morgen stehen 435km an, wir gewinnen die an Finnland verschenkte Stunde zurück, und wir erwarten außer einem kulinarisch ggfs. den Grenzbereich streifenden Frühstücksbuffet und ein wenig Startkälte nichts außergewöhnliches.

Das Bier neben meinem Netbook (könnt ihr nicht sehen, die Webcam ist aus ;-)) kostet 0,3 Liter 4 EUR, wir nähern uns also wieder mitteleuropäischem Preisniveau. Vielleicht auch ein Ausreißer. Der Sprit beim Tanken vorhin war mit 1,669 EUR pro Liter Diesel so billig wie seit Oslo nicht mehr. Mit NOK 15,06 (~1,95 EUR) war Honningsvag spitze, allerdings nicht deutlich teurer als der Rest von Norwegen.

Bis jetzt läuft weiter alles nach Plan, und die kritischen Etappen liegen hinter uns.

Die Bilder des Tages: